Wochenschau 27: Schulreform im Clinch


           



Schulstreit in Stadel

Die Einführung fortschrittlicher Lehrmittel und neuer Lehrmethoden führte in manchen Gemeinden des Kantons Zürich zu Diskussionen. In der Zunft (Wahlkreis)  Stadel im heutigen Bezirk Dielsdorf machte sich gar eine breite Opposition stark:

Chronologie des Stadler Handels:

November 1833: Stadler SchülerInnen bringen die Schulbücher zurück
Der Stadler Pfarrer Burkhard informiert von der Kanzel aus über die Anschaffung der neuen Lehrmittel (Sprachbüchlein und Singbuch). Die Lehrmittel werden an die Schülerinnen und Schüler ausgeteilt. Eine Gemeindeversammlung wendet sich mit 49:15 Stimmen gegen die neuen Schulbücher. Anderntags geben die meisten Schülerinnen und Schüler die Lehrmittel auf Geheiss ihrer Eltern zurück.

Januar 1834: Petition an den Kantonsrat nicht zulässig
Rund 200 Männer beschliessen in Stadel, gegen die Einführung der neuen Schulbücher den Rechtsweg zu beschreiten. Auf den 11. Januar organisieren sie eine Volksversammlung. Es erscheinen rund 400 Personen. Sie richten eine Petition an den Kantonsrat, die den Rückzug der neuen Lehrmittel fordert. Ausserdem soll das Neue Testament wie bisher an alle Primarschüler von der vierten Klasse an verteilt werden.

Im Kantonsrat verliest Amtsbürgermeister (Regierungspräsident) Hirzel die Bittschrift aus Stadel und verkündigt, dass die Begehren der Unterländer krass im Widerspruch zum Geist der Volksversammlung von Uster stünden. Aus formaljuristischen Gründen - nach der Kantonsverfassung von 1831 waren Kollektivpetitionen aus mehreren Gemeinden nicht zulässig - beschliesst der Rat, gar nicht auf die Petition einzutreten. Die Leute aus Stadel sind dadurch zu Recht erbittert.

13. Mai 1834: Die Schulbücher fliegen aus dem Fenster
Am Kaiserstuhler Markt und bei der Fronarbeit in den Gemeindewaldungen besprechen die Leute aus Stadel und den umliegenden Dörfern ihr weiteres Vorgehen. Am Abend besammeln sich in Stadel zweihundert Männer, Frauen und junge Burschen. Sie dringen ins Schulzimmer ein, um die neuen Lehrmittel zu «besichtigen». Auch im benachbarten Raat suchen am nächsten Tag die Unzufriedenen das Schulzimmer heim. Sie tragen die Sprachlehrbücher der Erstklässler ins Freie und verstreuen sie im Schulhausgarten.

In Windlach, wo der Lehrer nach den neuen Methoden unterrichten wollte, werfen die Leute die neuen Schulbücher zum Fenster hinaus. Gleichentags erscheinen die Landjäger im Dorf und nehmen zehn Verhaftungen vor. Nach kurzem Verhör im Bezirkshauptort Regensberg werden die Arrestanten nach Zürich überführt.

Nacht vom 15./16. Mai 1834: Regensberg soll von Aufständischen besetzt werden
Etwa hundert Bauern bewaffnen sich mit Stöcken und wollen Regensberg besetzen. Ihr Vorhaben wird aber von einem Landjäger in Zivil verraten und scheitert.

16. Mai 1834: Ein Zürcher Bataillon wird aufgeboten
Landjäger aus Zürich nehmen weitere sieben Gemeindebürger fest. Männer und Frauen versperren ihnen den Rückweg nach Zürich. Nachdem sich die Festgenommenen verpflichtet haben, sich freiwillig in Zürich zu stellen, ziehen die Polizisten ab. Zürich macht nun aber ernst: Die Militärdirektion bietet ein ganzes Bataillon Soldaten auf, das durch je eine Artillerie-, Scharfschützen- und Dragonerkompanie verstärkt wird. Angesicht dieser militärischen Übermacht kapitulieren die Aufsässigen.

17. Mai 1834: Die Regierung statuiert ein Exempel
Eine Gemeindeversammlung verspricht, inskünftig allem Widerstand gegen die neuen Schulbücher zu entsagen. Der Stadler Handel ist zu Ende, es folgt das gerichtliche Nachspiel:

Gegen die insgesamt 17 Verhafteten fällt das Kriminalgericht und letztinstanzlich auch das Obergericht mehrwöchige Gefängnisstrafen. Behördenmitglieder, die in den Handel involviert waren, werden von ihren Ämtern abgesetzt und bis zu vier Jahren vom Wahlrecht ausgeschlossen. Ein Exempel statutiert das Gericht an Gemeindepräsident Volkart, obwohl er sich nicht aktiv an den Ausschreitungen beteiligt hat.

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