Diplomarbeit


Diplomarbeit

Marie Kowalik, geb. 1843, Tochter des Freiherrn Philipp Kowalik, Oberst im Distrikt Tschernikoff, Landgut Swatkowicki, Russland (heute Ukraine). Der Titel der Diplomarbeit lautet: «Über den Einfluss der Verkehrszustände auf die Art der Einrichtung und des Betriebes der Viehhaltung in der Landwirtschaft», handschriftliche Diplomarbeit ETH Zürich, 1877 (33 Seiten).

Dass es gerade eine Russin war, die als erste Frau an der ETH abschloss, ist indes kein Zufall. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es an westeuropäischen Universitäten grosse russische Kolonien von Studierenden. Dies hatte verschiedene Gründe. Zum einen ist der Prestigezuwachs eines Auslandstudiums zu nennen. Zum anderen gab es in den Randgebieten des russischen Reichs zum Teil gar keine Hochschulen und im übrigen galten an einigen Universitäten Zulassungsbeschränkungen für Juden. Weiter zwang die politische Repression des zaristischen Staats zahlreiche junge Leute in die Emigration. Gerade den Frauen wurde die Zulassung an die russischen Universitäten wieder entzogen. Anders zeigte sich die Universität Zürich und mit ihr die ETH gegen über den Frauen fortschrittlich und liberal. Bereits 1873 gab es an der Universität Zürich 109 Studentinnen, zu 95 Prozent Russinnen.

Um auf Maria Kowalik zurückzukommen, so stellt sie keinen Einzelfall dar. Als Tochter eines Gutsbesitzers gehörte sie der Schicht von Adeligen an, die sich nach der Bauernbefreiung 1861 neu orientieren musste. Wohlbehütete Töchter von Landadeligen wurden mit neuen ökonomischen Realitäten konfrontiert und mussten sich um eine Berufsbildung kümmern. Andere wiederum wollten als «reuige Adelige» ihr Wissen und ihre Arbeitskraft in den Dienste der Wohlfahrt und des Fortschritts stellen. Die Geschichte der russischen Frauenbewegung ist in dieser Hinsicht eng mit der Bauernbefreiung verknüpft.

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