Wochenschau 45: Bundesstaat - Männerstaat?


                                



Eigentlich wären die Anliegen der Frauen vom Tisch gefegt worden. Wenn nicht im Mai 1968 in Paris ...

Yvonne Voegeli: Halt, halt, immer schön der Reihe nach! 1968 wurde das zwanzigjährige Bestehen der Uno-Charta der Menschenrechte gefeiert, auf der die Europäische Menschenrechtskonvention (EMK) beruht. Beide verbieten Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Die Schweiz war bis dahin der EMK nicht beigetreten, damit sie die europäischen Normen nicht ins Landesrecht übernehmen musste. Weiteres Abseitsstehen wäre 1968 international aber peinlich aufgefallen. Um eine Männervolksabstimmung zu umgehen, dachten Bundesrat und Parlament daher an eine Unterzeichnung der Konvention mit Vorbehalten, das heisst ohne unter anderem das Frauenstimmrecht einzuführen. Dagegen wehrten sich die Frauenstimmrechtlerinnen zunächst vergebens. 1968 war dann ja bekanntlich das Jahr der Studentenunruhen, nicht nur in Paris, sondern auch in Zürich. Die Studentinnen, die hier mitrevoluzzten, merkten bald, dass sie von ihren Genossen genauso ausgebeutet wurden wie vom bekämpften «Establishment». Sie formierten sich zu einer neuen Frauenbewegung und animierten einen Teil der bestandenen Stimmrechtlerinnen zu wirksameren Kampfmethoden. So kam es am 1. März 1969 zum «Marsch nach Bern», einer Demonstration vor dem Bundeshaus mit 5000 Personen.

Demo
Der Marsch nach Bern endete vor dem Bundeshaus: Die Kundgebung vom 1. März 1969.

Das tönt heute nicht so spektakulär, hat aber damals die Politiker sehr erschreckt. Inzwischen opponierten nämlich nicht allein die Stimmrechtlerinnen, sondern auch bisher konservative Frauenorganisationen wie der Gemeinnützige Frauenbund, der Landfrauenverband, der Katholische und der Evangelische Frauenbund. So beeilten sich Bundesrat und Parlament ganz plötzlich mit einer neuen Vorlage ...

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